Weihnachtsbrief 2019 von Br. David

von Mirjam Luthe

+ Meine Lieben,

Hoffnung ist doch alle Jahre wieder das große Thema, wenn wir Kerzen anzünden und Feste des Lichtes feiern, trotz aller Finsternis. „Schreib’ doch heuer etwas über Hoffnung,“ bitten mich Freunde, „in dieser bedrohlich düsteren Weltlage.“ Ja, Dunkelheit und Gefahr werden wirklich immer beängstigender, wohin wir auch schauen.  Diese Bedrohung müssen wir zunächst ernstlich ins Auge fassen, bevor wir nach Trost Ausschau halten können. Und am schrecklichsten könnte sich die Einsicht erweisen: Ohne uns dessen bewusst zu sein, sind wir es selber, die unsere Welt am meisten bedrohen.

Schon können wir in unsrem kleinen Schiffchen den Wasserfall donnern hören, auf den wir zusteuern. Aber nicht Unmenschen haben uns an den Rand des Abgrunds gebracht, sondern Schlafwandler. Und ob wir selber zu den Schlafwandlern gehören, lässt sich leicht herausfinden. Schau’ um Dich: Wie viele Glühbirnen hast Du da abzudrehen vergessen? Brennen sie vielleicht sogar völlig unnütz im leeren Nebenzimmer? Unsere Energieverschwendung führt dann allzu leicht zur Rechtfertigung von Atomkraftwerken, obwohl wir ratlos dastehen, während Atommüll sich anhäuft und uns vergiftet.

Oder denk’ an den Klimawandel: Was ist grotesker, ein Präsident, der Klimawandel leugnet, oder wir, die wissen, was wir dagegen tun können – und nichts tun? Willst Du ernsthaft etwas gegen den Klimawandel unternehmen? Heute noch kannst Du damit beginnen. Wie viel Fleisch oder Milchprodukte werden in den Feiertagen auf Deinen Tisch kommen? Weißt Du wirklich nicht, dass die Tierhaltung (ganz gleich wie „artgerecht“) mehr Treibhausgase erzeugt als der gesamte Land-, Wasser- und Luftverkehr zusammen? Dazu kommt noch die Todesqual der Tiere und der Schaden für Deine eigenen Gesundheit? Auf wen wartest Du? „Auf Regierungen und Institutionen ist kein Verlass, wenn es darum geht, große Probleme zu lösen,“ sagt Margaret Mead. „Veränderung in der Gesellschaft entspringt der Leidenschaft Einzelner.“

Leidenschaft für Veränderung – ja, das wünsche ich uns allen für 2020. (Und hier beginnt der tröstliche Teil meiner Botschaft.) Wir können unsere Gefühle von Hilflosigkeit überwinden, indem wir sie in leidenschaftlichen Einsatz für Veränderung verwandeln. Dazu ist nur zweierlei nötig: 1. Sich informieren. 2. Faulen Ausreden widerstehen. Ich bin ein langsamer Lerner, aber diese beiden Schritte haben mir geholfen, Verzagtheit zu überwinden durch Umdenken und einen freudigen Neubeginn. Schon die Regel des Hl. Benedikt verbietet uns Mönchen ja strengstens, Fleisch zu essen. Wir geloben feierlich, nach dieser Regel zu leben, aber trotzdem finden sogar Mönche immer noch Ausreden. Herzensgute Menschen, deren Güte ich bewundere und nachahmen möchte, verhalten sich angesichts der Umweltkrise dennoch wie Schlafwandler.

„Wach auf, wach auf vom Schlaf!“ Diesen Weckruf wiederholen Heilige Texte der Adventszeit immer wieder. Und sie sprechen von einem Kind, das uns retten wird. Tatsächlich weckt ein hellwaches Kind heute viele Menschen auf: Greta Thunberg sprach freundlich, friedlich aber mit Leidenschaft vor dem Umweltausschuss der Europäischen Union. Die Botschaft war eindeutig: Wacht auf! Das Haus brennt! In kürzester Zeit entstand eine globale Bewegung. (Um Margaret Mead noch einmal zu zitieren): „Bezweifle nie, dass eine kleine Schar wacher Bürger, die sich leidenschaftlich einsetzen, die Welt verändern kann; in der Tat, nichts sonst hat jemals die Welt verändert.“ In dieser Einsicht liegt persönliche Verantwortung, aber auch Hoffnung für uns alle.

Hoffnung und Verantwortung kann niemand trennen. Deine Hoffnung ist zugleich Verantwortung für die Flüchtlingsboote im Mittelmeer. Erst wenn es dort Hoffnung gibt für Kinder in Seenot, wird es für die ganze Welt Hoffnung geben. Diese gemeinsame Hoffnung gilt es zu unterstützen – wach und leidenschaftlich – mit Gebet und mit allen Mitteln – bis es weh tut. 

Hoffnung, so verstanden, unterscheidet sich von Hoffnungen. Auch wenn all unsre Hoffnungen zerschlagen werden, diese Hoffnung überlebt als „radikale Offenheit für Überraschung.“ Das Leben ist immer überraschend, und dem Leben dürfen wir vertrauen. Darum ist es diese, unsere gemeinsame Hoffnung, die ich Euch ans Herz lege und die ich uns allen von ganzem Herzen erwünsche und erbete.

Euer Bruder David

22.12.2019

Das könnte Dich auch interessieren